For what it’s worth

Ich hatte, angeregt durch den Vortrag von Stefan Rahmstorf, über den Susanne hier berichtet hat und den auch ich mir nun endlich angesehen habe, eine interessante spätabendliche Diskussion mit einer meiner geschätzten Assistentinnen.

Wir kamen darauf, weil ich, noch etwas mitgenommen von dem Vortrag, traurig auf die Energieverschwendung meines Aquariums hinwies, in dem viele Fische auf engstem Raum gefangen sind und über dem 12 Stunden am Tag zwei Leuchtstoffröhren ihr Licht erstrahlen lassen und in welchem die Heizung Tag und Nacht die Temperatur prüft und im Bedarfsfall erhöht und unter welchem ein großer Filter unermüdlich Wasser pumpt.
Dieses kleine, nachgebaute Ökosystem zieht immerzu Strom und wofür? Um mir als Zierde zu dienen. Um mein Zimmer freundlicher, interessanter und wohnlicher zu gestalten. Und was ist mit dem PC, den ich manchmal den ganzen Tag laufen habe, teilweise stundenlang ohne ihn zu benutzen? Was ist mit dem Licht, das immer brennt, weil meine Wohnung so ein dunkles Loch ist? Die Anlage, die immer auf Standby steht, nur damit sie die Uhrzeit anzeigt? Wohlgemerkt als eine von drei(!) Uhren, die alle direkt nebeneinander stehen.

Das wirklich traurige an der Geschichte sind für mich vor allem folgende Punkte (und ihr Zusammenwirken):
a) Ich weiß schon seit meiner Kindheit, dass das Klima der Erde durch mich und meine Spezies gefährdet ist und ich habe schon lange vor dem Vortrag gewusst, wie ernst die Konsequenzen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sein werden, wenn sich das Verhalten der Menschen nicht verändert.
b) Ich weiß, dass Stromsparen etwas ist, was ich reel, unmittelbar und ohne übermenschliche Mühe selbst tun kann, um zum Schutz des Klimas beizutragen.
c) Ganz offensichtlich handle ich entgegen meines besseren Wissens und tue ich es trotzdem nicht.

Warum nicht?

Ist es Bequemlichkeit? Aber was ist dann diese schreckliche Bequemlichkeit, wenn sie mich zu einem so widersprüchlichen und meinen eigenen Überzeugungen derart entgegenlaufenden Handeln bringt und, noch viel wichtiger, wie komme ich gegen sie an?

Bequemlichkeit ist vielleicht mit der Erdanziehungskraft vergleichbar, zumindest wenn es diese Art von Trägheit bezeichnet, die jemanden wie mich davon abhält, erstrebenswerte Handlungen umzusetzen. Es ist also, wenn dieser Vergleich weitergedacht wird, eine Art bindende(?), haltende Kraft, der man sich beständig widersetzen muss um irgendetwas zu tun, was eben nicht bequem ist. Und was ist bequem? Wahrscheinlich ist das für jeden Menschen etwas anderes. Auf jeden Fall ist es aber etwas, das Arbeit erspart.

Um sich der Erdanziehungskraft widersetzen zu können, braucht es Motivation und Kraft. Wobei ich sagen würde, Motivation ist wichtiger, denn sie leitet die Kraft in die gewünschte Richtung und gibt ihr ein Ziel. Brauche ich also auch Motivation und Kraft um der Bequemlichkeit zu widerstehen? Und wenn ja, woran mangelt es?

Hier stelle ich einen interessanten Zusammenhang zwischen Erdanziehungskraft und Bequemlichkeit fest: Wäre es nicht eigentlich die ultimative Bequemlichkeit, sich ganz und gar der Erdanziehungskraft hinzugeben? Gar nicht mehr aufzustehen, nicht mehr diesem beständigen Sog zu widerstehen, sondern einfach nachzugeben, „aufzugeben“?
Aber das hört auf bequem zu sein, sobald unsere Bedürfnisse einsetzen. Also sind unsere Bedürfnisse gewissermaßen unsere grundlegende Motivation um sich der Schwerkraft zu widersetzen und somit auch der Gegenspieler der Bequemlichkeit?
Angenommen es ist so. Bedeutet das dann, mir fehlt einfach das Bedürfnis, das Klima nach meinem besten Wissen zu schützen? Und für mein Bedürfnis nach Sicherheit, mein Bedürfnis zu (über)leben und gesund zu sein, ist der Gedanke einfach zu groß und unfassbar, dass die ganze Welt (auch) wegen mir vor die Hunde geht?

Meine Assistentin sagte in unserer kurzen Diskussion, sie sei der Meinung, es sei schon zu spät, um noch irgendetwas zu retten. Sie meinte außerdem, der Einzelne habe sowieso keine Chance etwas zu verändern.

Ich kenne diese Gedankengänge selbst und ich halte sie für äußerst effektive Selbsttäuschung.

Der Einzelne ist schwach – was soll das heißen? Wenn der Einzelne schwach ist, dann ist die Masse auch schwach. Wenn der Einzelne denkt: „Wofür Energie sparen? – Alleine bin ich doch zu schwach um etwas zu bewegen…“, dann spart auch die Masse keine Energie, wie denn auch? Die Masse, die „Vielen“, ist doch nichts anderes als lauter Einzelne und die Handlungen der Masse kann nur die Summe der Handlungen der Einzelnen sein. Wie also kann ich behaupten, dass der Einzelne schwach ist, wenn die Masse nur durch ihn ihre Stärke bekommt?

Wenn ich sage, ich habe keine Chance, dann ist das ziemlich fatal, denn damit gestehe ich nicht nur mir selbst keinen Handlungsspielraum zu, sondern gewissermaßen allen anderen auch nicht. Denn in Wirklichkeit ist es so, dass jeder Einzelne eine Chance haben muss, etwas zu verändern, sonst wäre auch die Masse nicht dazu imstande.

Es ist sowieso schon zu spät – auch das ist eine wirklich beliebte Entschuldigung, warum ich der Bequemlichkeit nachgebe, statt den Versuch zu unternehmen, etwas zu ändern. Natürlich kann das gar nicht sein. Wenn es wirklich schon zu spät wäre, dann würde ich gar nicht mehr vor einer Wahl stehen. Wenn mir ein Sturm das Dach überm Kopf weggerissen hat, dann ist es zu spät, es zu verstärken. Wenn eine Sturmwarnung kommt und ich renne sofort los um endlich mein Dach zu verstärken, dann kann das zu spät sein, muss aber nicht. Vielleicht kann ich auf diese Weise das berühmte Zünglein auf der Waage sein, oder zumindest einen Teil meines Daches retten. Jedenfalls wäre ich verrückt, es nicht wenigstens zu versuchen.

Was ist es, das die Bequemlichkeit in diesem Lebensbereich so mächtig werden lässt, dass ich trotz all meines Wissens und all der ihm innewohnenden Dringlichkeit, nicht einfach so handle, wie ich es für richtig halte? Warum übernehme ich nicht im vollen Maße die Verantwortung für mein Tun? Ich verstehe ja, dass ich nicht für alle anderen mithandeln und mitdenken kann, aber warum tue ich nicht einmal das, was ich ohne großen Aufwand selbst tun kann? For whatever it’s worth?